Straßenwalze beim Einebnen von frischem Asphalt auf einer Autobahnbaustelle

Die Bitumenemulsion

Vor etwa 100 Jahren hat man herausgefunden, dass es emulgierfähige Bitumensorten gibt. Dieses Bitumen konnte man in heißflüssigem Zustand in alkalisiertes heißes Wasser einrühren und es bildete sich spontan eine Bitumenemulsion, das heißt, das Bitumen verteilt sich in Form feinster Tröpfchen im Wasser (etwa vergleichbar mit den Fetttröpfchen in der Milch.

Der besondere Vorteil dabei war, dass die Bitumenemulsion erheblich dünnflüssiger ist als das Ausgangsbitumen und daher bei niedrigerer Temperatur (damals 10 bis 40 °C) verarbeitet werden konnte.

Es war somit möglich, Bitumen auf erheblich einfachere Art zu handhaben. Mit entsprechenden Bauweisen im Sprühverfahren wurde sehr bald die „Staubfreimachung“ im großen Stile angewendet. Oberflächenbehandlungen, vorher vorwiegend mit sogenanntem „Straßenöl“ (auf Teerbasis) ausgeführt, wurden zu einer Regelbauweise.

Durch den Einsatz moderner Emulgiertechnologien und die parallele Entwicklung spezieller Emulgatoren durch die chemische Industrie ist es möglich geworden, Bitumen aus einer Vielzahl von Rohölprovenienzen zu qualitativ hochwertigen Bitumenemulsionen zu verarbeiten. Allerdings eignet sich nicht jedes Bitumen zum Emulgieren, eine gute Kolloidstabilität des Bitumens ist Voraussetzung für eine gute Bitumenemulsionsqualität – daher zeichnen sich emulgierte Bindemittel durch eine gute Alterungsstabilität aus.

Je nach Auswahl des Emulgatorsystems werden hauptsächlich kationische oder anionische Bitumenemulsions-Typen für Straßenbau- und Bautenschutzzwecke erzeugt. Nichtionische oder amphotere Emissionen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Die Herstellung von Bitumenemulsionen ist kein chemischer Prozess sondern ein physikalischer Mischvorgang. 

Angesteuert über Dosierpumpen wird die Bitumenphase (Temperatur ca. 130 °C) in einer sogenannten Kolloidmühle gemeinsam mit der Wasserphase (Temperatur ca. 60 °C), in der Emulgatoren und Additive vorgelöst sind, mit hoher Mischenergie in einem Durchlaufverfahren vereinigt. Bei diesem Prozess wird das Bitumen zu feinen Tröpfchen „aufgemahlen“ und vom Emulgator in Form mikroskopisch kleiner kugelförmiger Tröpfchen stabilisiert.  Der Emulgator verleiht dabei den Tröpfchen eine elektrostatische Aufladung, sodass sie sich gegenseitig abstoßen und auf diese Weise die Emulsion lagerstabil wird.

Bitumenemulsionen enthalten im Regelfall einen Bitumenanteil von 40 bis 72 M-%. Bis zu einem Bitumenanteil von etwa 65 M-% sind die Bitumenemulsionen zumeist dünnflüssig (Viskosität bei 40 °C ca. 10 bis 200 mPas), bei höheren Bitumengehalten werden sie dickflüssig (Viskosität bei 40 °C bis ca. 2000 mPas).

Bitumenemulsions-Typ kationisch anionisch
pH-Wert, vorwiegend sauer, 3 bis 5 alkalisch, 9 bis 11
Häufiger Emulgator-Typ Fettamin-Salze Seifen, z. B. des Tallöls
Elektrische Ladungsart der Bitumentröpfchen positiv negativ
Hauptsächliche Tröpfchengrößenverteilung 0,5 bis 20 µm 0,1 bis 10 µm
Emulgatorgehalt 0,1 bis 2 % 0,3 bis 5 %

Tabelle: Grundlegende Eigenschaften von Bitumenemulsionen

Durch die gezielte Auswahl des Ausgangsbitumens, der Art und Menge der Emulgatoren sowie weiterer Rezepturbestandteile gibt es eine große Variationsbreite für die verschiede Einsatzgebiete.

Insbesondere ist der Stabilitätsgrad ein entscheidendes Gebrauchsmerkmal. Er kennzeichnet das Brechverhalten der Emulsion und gibt an, wie rasch und unter welchen Bedingungen sich der Bitumenanteil der Emulsion ausscheidet, die Emulsion also zerfällt ("bricht"). Beispielsweise brechen „unstabile Bitumenemulsionen“ schon bei Kontakt mit gröberem Gesteinsmaterial (wie z.B. Splitt 4/8) binnen weniger Sekunden und verkleben dessen Gesteinsflächen miteinander. 

„Stabile Bitumenemulsionen“ hingegen lassen sich minutenlang mit füllerhaltigen kornabgestuften Sand – Splittkomponenten mischen, ohne dass ein Brechen der Bitumenemulsion eintritt. Der Stabilitätsgrad wird gemäß Europäischer Normung neuerdings durch den sogenannten „Brechwert“ kategorisiert. Zu seiner Bestimmung wird jene Menge standardisiertes Steinmehl ermittelt, die in eine Bitumenemulsion eingerührt erden kann, bis sie koaguliert. 

Dieser Brechwert ist jedoch lediglich ein Orientierungsmerkmal und reicht nicht dafür aus, die Emulsion einem bestimmten Anwendungszweck zuzuordnen.

Der Brechvorgang einer Bitumenemulsion ist in der Regel ein zeitlich rascher Vorgang von wenigen Minuten. Er wird durch Adsorption des Emulgators am Gestein (Ladungsaustausch zwischen Emulsionströpfchen und Gesteinsoberfläche) eingeleitet.

Nach dem Brechen erfolgt das Abbinden des zunächst noch recht lockeren Tröpfchengefüges durch weitgehendes Verdunsten des Emulsionswassers bei gleichzeitigem Inneinanderfließen (Verfilmen) der ursprünglichen Emulsionströpfchen zu einem kompakten kohäsiven Bindemittelfilm. Diese Wasserabgabe durch Verdunsten erfolgt langsam, hängt stark von klimatischen Gegebenheiten ab und kann Stunden, unter ungünstigen Bedingungen sogar Tage dauern. Daher hat die Verarbeitung von Bitumenemulsionen möglichst bei warmem Wetter zu erfolgen. Temperaturen der Unterlage von +15 °C sollten bei den meisten  Bauweisen nicht unterschritten werden.

Bitumenemulsionen sind infolge ihres thermodynamisch instabilen Zweiphasen-Zustandes begrenzt lagerfähig, empfindlich gegen Überhitzung und starke mechanische Beanspruchungen (z.B. beim Pumpen) und aufgrund des Wassergehaltes frostempfindlich. Der Umgang mit Bitumenemulsionen erfordert daher Fachwissen und Sorgfalt.

Bitumenemulsionen sind umweltfreundliche Baustoffe, nicht nennenswert wassergefährdend und ausgezeichnet recyclingfähig.

Als Ausgangsbitumen werden neben reinem Straßenbaubitumen auch polymermodifiziertes Straßenbaubitumen sowie Polymerdispersion (Latices) zur Emulsionsherstellung eingesetzt.

Die Vorteile von polymermodifizierten Bitumenemulsionen sind ihr ausgezeichnetes Haftverhalten an nahezu allen Gesteinen sowie die Erhöhung der Plastizitätsspanne des Bindemittelfilmes. Das bedeutet höhere Kohäsion und Festigkeit der Verklebung in der Wärme und geringere Sprödbruchneigung in der Kälte.

Eine weitere moderne Entwicklung mit guter Bewährung in der Praxis ist der Zusatz von vegetabilen Ölen, insbesondere Rapsöl zur Bitumenphase. Bitumen wird dadurch weicher, lässt sich besser emulgieren, das Brech- und Abbindeverhalten der Bitumenemulsion im Zuge der Verarbeitung werden optimiert. Eine Verlängerung der Bausaison für Oberflächenbehandlungen um einige Wochen ist dadurch unter günstigen Randbedingungen möglich. Bindemittel aus Bitumenemulsionen mit Rapsölzusatz üben deutliche Regenerierungseffekte auf die zumeist gealterten Asphaltunterlagen mit verhärtetem bituminösem Mörtel aus. Dadurch wird der Splitt besser mit der Unterlage verzahnt, was letztlich in vielen Fällen den Einsatz niedrigerer Bindemittelmengen erlaubt, bei sehr weichen, feinkörnig aufgebauten, hohlraumarmen Unterlagen sogar erfordert.

In den Monaten bis Jahren nach der Verarbeitung beginnt das Rapsöl zu verharzen, was zu einer Festigkeitssteigerung im Bindemittelfilm und dadurch zu einer besseren Haltbarkeit der mit der Bitumenemulsion ausgeführten Straßenerhaltungsmaßnahme führt. Darüber hinaus kann ein Teil importabhängiger Erdölprodukte durch heimisch nachwachsende vegetabile Rohstoffe ersetzt werden, ein Vorteil für Volkswirtschaft und Umwelt. Der Rapsölzusatz ersetzt nicht die Polymermodifizierung, ist aber mit dieser kombinierbar und bewährt sich in der Baupraxis seit 2 Jahrzehnten ausgezeichnet.

Kationische Bitumenemulsionen sind in einem Europäischen Regelwerk (EN 13808) und in einer österreichischen Umsetzungsnorm (ÖNORM B 3508) genormt (siehe dazu Abschnitt Qualitätskriterien).

Anionische Bitumenemulsionen werden auf europäischer Ebene nicht genormt. Die ÖNORM B 3509 legt die Anforderungen an anionische Bitumenemulsionen fest.

(Die Grafik stellt eine schematische Darstellung der Schritte beim Brechen und Abbinden einer "Unstabilen Bitumenemulsion" am Gestein dar.)